1. Der frühe Lateinunterricht nutzt didaktisch und methodisch die entwicklungspsychologische Übergangsphase vom konkreten zum formalen Denken (10. bis 12. Lebensjahr): Kinder in diesem Alter beginnen, Erlebtes und Gelerntes in Regeln zu fassen und daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Der Lateinunterricht unterstützt diese Abstraktionsleistungen und fördert damit die intellektuelle Entwicklung der Kinder. SchülerInnen unserer Orientierungsstufe lernen gerne Latein!

  2. Das Erlernen von Latein fordert und fördert Nachdenken über das System Sprache – auch über die  Muttersprache – und schafft ein  grundlegendes Verständnis, das die muttersprachlichen Fähigkeiten erweitert  und dem Erlernen aller weiteren Fremdsprachen nützlich ist und es beschleunigt.

  3. Sprachhistorisch gesehen ist Latein die Mutter aller romanischen Sprachen (z.Bsp. Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch), die man als Tochtersprachen bezeichnen kann. Aber auch insbesondere Englisch hat einen hohen Anteil (etwa 60%) seines Vokabulars aus dem Lateinischen entwickelt. Das heißt: wer mehr als nur eine Fremdsprache lernen möchte, für den bietet sich logischerweise an, Latein als erste Fremdsprache zu erlernen; Strukturen und Vokabelstämme, die später dann gebraucht werden, sind schon einmal gelernt worden!

  4. Wer Latein erst ab Klasse 7 oder 9 oder gar erst im Schnelldurchgang an der Universität erlernt, der hat vor allem die formale Bestätigung des „Latinum“ im Blick, die er für eine Reihe von Studiengängen braucht. Dabei wird aber eigentlich nur eine Basiskompetenz erworben (Grammatik  und Wortschatz ), die zu einem früheren Lernbeginn viel mehr Sinn macht (vgl. Punkt 3.!). Wenig oder gar keine Zeit verbleibt für das eigentliche Ziel des Erlernens des Lateinischen: eine Auseinandersetzung mit der Antike und ihrer Tradition.

  5. Die Entwicklung der europäischen Kulturen der Neuzeit ist deutlich geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit der Literatur der griechisch- römischen Antike. Lateinunterricht, der früh startet und deshalb genug Zeit dafür hat, kann den SchülerInnen einen Einblick gewähren  in diesen Prozess der Auseinandersetzung. In der gesamten europäischen Geistesgeschichte ist die antike Literatur und Kunst neben der Bibel als geistiger Kosmos vorausgesetzt. Wer heute Kunst und Literatur verstehen möchte, der muss auf solche Kenntnisse zurückgreifen können.

  6. Altsprachliche Bildung unterstützt daher – in der Zusammenarbeit mit den anderen Fächern, die an einem Gymnasium angeboten werden – europäische kulturelle Selbstfindungsprozesse; SchülerInnen, die ihre Kultur verstehen, entwickeln gleichzeitig eine vertiefte Dialogfähigkeit mit anderen Kulturen.

 

„Tote Sprachen nennt ihr die Sprache des Flaccus und Pindar,
und von beiden nur kommt, was in der unsrigen lebt“

(Schiller, Xenien)